Junge Menschen stärken:
bäuerliche Landwirtschaft erhalten!
Die Landwirtschaft ist mittlerweile eine besonders “alte” Branche. Bei etwa der Hälfte der landwirtschaftlichen Einzelunternehmen in Deutschland ist die Betriebsleitung über 55 Jahre alt. Nur 37% dieser Höfe haben bereits eine geregelte Nachfolge.
Dass keine Nachfolgerïnnen gefunden werden, trägt entscheidend zum sogenannten "Höfesterben" bei. Aktuell schließen jährlich 2600 vor allem kleinere Betriebe zum letzten Mal ihre Hoftore. In der Folge werden die verbleibenden Betriebe flächenmäßig immer größer. Meist geht das mit weiterer Spezialisierung und wachsenden Monokulturen einher. Daher reduziert das Höfesterben die Vielfalt ländlicher Regionen - verloren gehen Artenvielfalt, landschaftliche Besonderheit, lokale Versorgungsstrukturen und sozialer Zusammenhalt.
Die innerfamiliäre Nachfolge ist keine Selbstverständlichkeit mehr. Erfreulicherweise werden die Kinder von Landwirtïnnen ermutigt, ihren eigenen Weg zu gehen, viele entscheiden sich für alternative Lebenswege außerhalb der Landwirtschaft. Konsequenterweise wird die außerfamiliäre Hofnachfolge damit umso bedeutsamer. Doch wer keinen Hof erbt, steht vor großen finanziellen Hürden, die viele junge Menschen zum Aufgeben zwingen.
Es geht um nichts geringeres als die Zukunft der bäuerlichen Landwirtschaft. Daher stellen wir hier junge Kulturland-Höfe und ihre Geschichten vor und zeigen auf, was sich politisch ändern muss.
Beispiel Biolee - Eine Betriebsgründung mit Hindernissen
Es gibt sie noch: junge Menschen, die richtig Lust haben, auf Arbeit im Freien, körperliche Anstrengung, Verantwortung und Verbindlichkeit. Die Lust haben auf einen eigenen Hof. Sarah Hoffmanns und David Büchler sind solche Menschen. Ihre Geschichte macht deutlich, wie schwierig eine Existenzgründung in der Landwirtschaft derzeit ist – und das, obwohl die Landwirtschaft dringend Nachwuchs braucht. Sie handelt vom Mut, etwas anzufangen, von innovativen Ideen, absurd hohen Bodenpreisen und dem gemeinschaftlichen Engagement für eine bäuerlich geführte Landwirtschaft.
Biolee heißt der Betrieb, den Sarah und David 2022 auf 6,5 ha Pachtflächen rechts und links einer alten Allee im Nordwesten von Münster in Nordrhein-Westfalen gegründet haben. Hier bauen sie ökologisch Kartoffeln, Kürbisse, Süßkartoffeln und Getreide an. Die Flächen liegen günstig, die Nähe zur Stadt ermöglicht den direkten Kontakt mit den Kund*innen. Regelmäßig haben Besucher*innen nun die Möglichkeit, Landwirtschaft mit allen Sinnen zu Erleben.
Doch zwei Jahre nach der Gründung will einer der Eigentümer ausbezahlt werden. Was im Fall eines Verkaufs aus „Biolee“ wird, ist ungewiss. Wird der Pachtvertrag verlängert werden? Oder wird vielleicht sogar ein Industriegebiet dort entstehen, wo heute noch Gemüse wächst? Letzteres ist gar nicht so unwahrscheinlich, denn der geforderte Kaufpreis für die Flächen lässt sich durch Landwirtschaft – und noch weniger, durch extensiv, ökologische Nutzung – unmöglich erwirtschaften. 660.000 € sollen die Flächen kosten, das sind 11,60 €/m². Die Spekulation mit Ackerland hat die Preise in Stadtnähe besonders weit nach oben getrieben.
Biolee nimmt die Agrarwende selbst in die Hand!
Sarah und David wenden sich an die Kulturland-Genossenschaft, um das Land gemeinschaftlich zu finanzieren. Dank der Unterstützung zahlreicher Menschen kommt genug Geld für den Kauf zusammen. Was zwei allein nicht schaffen, schaffen 197 Menschen gemeinsam! Ihr gemeinsames Ziel ist es, die Flächen langfristig zu sichern, für Landwirtschaft, die eingebunden ist in die Region und gesunde Nahrungsmittel produziert. Ohne den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel, mit rein organischem Dünger und viel Platz für Artenvielfalt.
Wenn sich Menschen zusammentun und mit Hilfe der Kulturland-Genossenschaft gemeinschaftlich Land kaufen, dann garantieren langfristige Pachtverträge zu günstigen Bedingungen den Bäuerinnen und Bauern Planungssicherheit bei der Bewirtschaftung der Flächen. Die Mitglieder der Genossenschaft erhalten keine finanzielle Rendite auf ihre Beteiligung am Landkauf: es geht diesen Menschen eben nicht darum, am Bodenmarkt zu verdienen, sondern darum, ökologische, bäuerliche Landwirtschaft zu ermöglichen. Und darum, Verantwortung zu übernehmen für das Land, das sie ernährt.
Biolee im Rechtsstreit für gemeinschaftliches Bodeneigentum
Der Kaufvertrag wird vorbereitet, Biolee scheint gerettet. Doch dann genehmigt die Landwirtschaftskammer den Kaufvertrag nicht. Die Prüfung ist ein Standardablauf auf der Grundlage des Grundstücksverkehrsrechts.
Dieses Gesetz aus dem Jahr 1962 soll die Landwirtschaft vor dem Ausverkauf ihres Bodens schützen und eine breite Streuung von Eigentum sicherstellen. Doch aufgrund offensichtlicher Gesetzeslücken und unzureichender Regelungen im Erbfall kaufen Konzerne und sehr wohlhabende Privatpersonen trotzdem in großem Stil landwirtschaftliche Flächen und nutzen diese als sichere Geldanlage.
Im Fall von Biolee argumentiert die Kammer, dass die Gemeinschaft von Sarah, David und ihren Unterstützerïnnen im rechtlichen Sinne kein Landwirt sei. Doch in diesem Fall unterstützt der gemeinschaftliche Landkauf das politische Ziel der Bundesregierung, eine Landwirtschaft zu ermöglichen, die sozial, ökologisch und ökonomisch nachhaltig wirkt. So angewendet, würde das Gesetz die Falschen treffen, da sind sich Sarah, David und die Kulturland-Genossenschaft sicher. Sie klagen gegen die Kammer und haben in der ersten Instanz auch Erfolg. Das Verwaltungsgericht Münster entscheidet eindeutig zugunsten von Biolee, doch dann legt die Kammer Widerspruch ein. Jetzt liegt der Fall am Oberlandesgericht Hamm. Es kann bis ins Jahr 2026 dauern, bis ein Urteil gefällt wird.
Glücklicherweise sind die Eigentümer dem Projekt wohlgesonnen und bereit, auf die Entscheidung zu warten. Der Prozess verlangt Sarah, David und ihrem Projekt viel Kraft und Durchhaltevermögen ab. Doch sie bleiben dran. Für ihren Lebenstraum, für Hof Biolee. Und auch, weil ihr Fall darüber hinaus weist: Die Geschichte von Biolee zeigt, wie wichtig Solidarität und Unterstützung für bäuerlich geführte Betriebe sind - und wie existenziell die Frage des Bodeneigentums ist.
Auch der WDR berichtete bereits mehrfach über Sarah und Davids Fall: ►Genossenschaft will Bio-Acker retten
Was Sarah und David jetzt hilft
- Unterstütze den Landkauf für Biolee! Jetzt Anteile zeichnen!
- Engagiere dich als Botschafterïn für gemeinschaftliches Bodeneigentum! Werde Kulturland Botschafterïn!
- Engagiere dich in der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft!
Biolee in der Presse
- In's Tun kommen - dann entstehen Dinge. Unabhängige Bauernstimme, 30.04.2025.
Das lesenswerte Porträt in der Bauernstimme zeichnet Sarahs und Davids Weg zur Betriebsgründung im Münsterland nach. Dabei wird deutlich: Existenzgründerïnnen sind durch ihr Innovationspotential eine Bereicherung für die Landwirtschaft und verdienen es, viel stärker gefördert zu werden. Und David hat ganz konkrete Vorschläge, wie die Unterstützung echte Wirkung entfalten kann… - Auch der WDR berichtete bereits mehrfach über Sarah und Davids Fall: ►Genossenschaft will Bio-Acker retten, 13.11.2024.
Mehr junge Höfe bei Kulturland
"Ich freue mich immer ganz besonders, wenn es uns gelingt, jungen Menschen den Einstieg in die ökologische Landwirtschaft zu ermöglichen. Schlechte Nachrichten gibt es genug. Wir brauchen positive Beispiele für gelingendes gesellschaftliches Handeln – und Kulturland hat jede Menge davon."
- Stephan Illi, Vorstand.

Wongerhof Kainsbach
Gut ausgebildet, mit reichlich Praxiserfahrung und Mut: so erweckt die junge Hofgemeinschaft den Wongerhof zu neuem Leben.

Kommune Schafhof
Das Kollektiv aus kleinen und großen Menschen entwickelt den bestehenden Betrieb weiter: In Zeiten der Klimakrise schaffen sie Systeme, die nachhaltig Bestand haben.

Hof Schömbach
Aus Leidenschaft zu Pflanzen und Tieren haben sich Sophia und Benjamin auf die Suche nach einem Hof gemacht. Jetzt bauen sie im fruchtbaren Altenburger Land mit großem Engagement und Idealismus ihren Betrieb auf.
Unsere Forderungen
Was muss sich ändern, damit Junglandwirtïnnen nicht an Bürokratie und Bodenpreisen scheitern?
Gemeinschaftliche Lösungen explizit ermöglichen!
Gemeinschaftseigentum an Grund und Boden ist nicht nur eine Antwort auf überteuerte Bodenpreise:
- Bürgerïnnen erhalten die Möglichkeit, Verantwortung für ihre Ernährungsgrundlage zu übernehmen.
- Hofübergaben und Wechsel der Bewirtschafterïnnen sind einfacher möglich. Betriebe in Gemeinschaftseigentum sind weniger von einzelnen Personen und deren wirtschaftlichen Interessen abhängig.
- Privatbesitz an landwirtschaftlichen Flächen ist nicht für jeden Hof die betriebswirtschaftlich sinnvollste Lösung. Wahlfreiheit ist wichtig.
Den Bodenmarkt fair und zukunftsfähig regeln!
- Außerlandwirtschaftliche Investorïnnen treiben die Bodenpreise auf ein Niveau, das nur noch mit der Spekulation auf nicht-landwirtschaftliche Nutzungen zu erklären ist: als zukünftige Siedlungsgebiete oder Solarparks - oder einfach als krisenfeste Anlageoption.
- Das bestehende Grundstücksverkehrsrecht schützt nicht vor dem Ausverkauf der Flächen: Es bestehen gravierende Gesetzeslücken, die es Konzernen und Investorïnnen ermöglichen, über sogenannte Anteilskäufe auch als Nicht-Landwirte Flächen zu erwerben. Bekannte Beispiele für massive Investitionen in Ackerland sind unter anderem die Aldi-Erben, die Münchener Rück oder Deutsche Wohnen. Ein weiterer Fall: 2023 hat der IGNEO Infrastructure Fund aus Australien die Deutsche Agrarholding mit 20.000 ha der Zechstiftung in Liechtenstein abgekauft.
- Seit der Föderalismusreform (2006) fällt das Grundstücksverkehrsrecht in die Gesetzgebungskompetenz der Länder; angestammtes Bundesrecht gilt fort, kann aber durch Landesrecht ersetzt werden. Daher fordern wir von den Landesparlamenten Reformen und die Verabschiedung zeitgemäßer Agrarstrukturgesetze!
Die Kulturland eG unterstützt das Positionspapier zur Regulierung des Bodenmarkts der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL e.V.)
Junglandwirtïnnen stärken!
- Einen landwirtschaftlichen Betrieb aufzubauen, ist teuer.
2023 betrugen die Kosten für die Schaffung eines Arbeitsplatzes in der Landwirtschaft durchschnittlich 816.000 €. - Erfahrungsberichte junger Menschen zeigen, dass im Falle einer Finanzierung bei Neugründung oder Übernahme eines landwirtschaftlichen Betriebes Banken einen Eigenkapitalanteil von mindestens 20 Prozent verlangen. Wenn man mit einem Wert von 25 Prozent rechnet, dann braucht eine Existenzgründerin in der Landwirtschaft aktuell rund 204.000 € Eigenkapital alleine für die Schaffung des eigenen Arbeitsplatzes.
- Beim aktuellen Zinsniveau sind Kredite aus den Erträgen einer Landwirtschaft kaum zu bedienen. V
Vor diesem Hintergrund fordern wir gemeinsam mit landwirtschaftlichen Jugendverbänden wirksame staatliche Förderungen für Junglandwirtïnnen und Existenzgründerïnnen.
Wir unterstützen die Stellungnahme der landwirtschaftlichen Jugendverbände.