PM 3.9.21
Mit einer gemeinsamen Aktion kritisierten Aktion Agrar, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), das Bündnis Junge Landwirtschaft (BJL) und die Kulturland Genossenschaft die anhaltende Privatisierung öffentlicher Flächen durch die BVVG.
PRESSEMITTEILUNG Freitag, 3. September 2021
Aktion für eine faire Bodenpolitik – BVVG-Landversteigerung ganz anders
Vor dem Bundesministerium der Finanzen forderten betroffene Landwirt:innen und engagierte Organisationen einen fairen Zugang zu Land für bäuerliche Betriebe. Sie prangerten die öffentliche Landvergabe und Regelungen bei Landverkäufen an, die zu gravierenden Preissteigerungen führen. Die Aktion war ein Höhepunkt einer knapp einwöchigen Fahrrad-Aktionstour zum Thema „Zugang zu Land“ durch Brandenburg. Zugleich startete hier AbL-Aktionswoche „Jeder Hof zählt“ statt, die noch bis zum 10.09. mit über 60 Aktionen stattfindet.
Die Bodenpreise sind bundesweit und insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern drastisch gestiegen. Bundesfinanzministerium und BMEL halten an der Vergabepraxis der Bodenverwertungs- und -verwaltungsgesellschaft (BVVG) fest, die ehemalig staatseigenen Flächen in Ostdeutschland in verdeckten Versteigerungen zu Höchstpreisen zu privatisieren. Die Entwicklungen stellen bäuerliche Betriebe und insbesondere Junglandwirt:innen vor große Herausforderungen.
Mit einer gemeinsamen Aktion kritisierten Aktion Agrar, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), das Bündnis Junge Landwirtschaft (BJL) und die Kulturland Genossenschaft die anhaltende Privatisierung öffentlicher Flächen durch die BVVG, ein staatliches Unternehmen, das land- und forstwirtschaftliche Flächen in den neuen Bundesländern seit 1992 privatisiert. Der Auftrag durch das Bundesministerium der Finanzen lautet, die Flächen möglichst gewinnbringend zu verkaufen. Auch kritisierten die Gruppen sogenannte Share Deals, die Investoren – sogar landwirtschaftsferne – ungerecht begünstigen. Während bei einer Inanspruchnahme des gesetzlich gesichterten Vorkaufsrechts für Landwirt:innen sogar doppelte Grunderwerbssteuern anfallen können.
Diese Politik habe zu gravierenden Preissteigerungen landwirtschaftlicher Flächen geführt und verschenke das Potenzial einer gemeinwohlorientierten Vergabe von Land. Bereits jetzt können Kauf- und Pachtpreise von Landwirt:innen oft nicht mehr durch die erwirtschaftbaren Erträge gedeckt werden. Für die verbleibenden etwa 100.000 ha landwirtschaftlich nutzbaren Flächen der BVVG besteht angesichts der kommenden Bundestagswahl die Chance, in der Agrar- und Bodenpolitik umzusteuern. Deshalb richten sich die Organisationen mit ihren Forderungen an das Bundesfinanzministerium.
Die Aktion findet im Rahmen der AbL-Aktionswoche „Jeder Hof zählt“ statt, die am 03.09. bundesweit startet und am 10.09. in Berlin endet.
Weitere Infos unter www.abl-ev.de/aktionswoche.
Eine Besonderheit des Aktionsbündnisses ist es, dass Bäuer:innen, Landeigentümer:innen und engagierte Menschen aus Stadt und Land gemeinsam gegen Ausverkauf von Ackerland demonstrieren. Vor dem Bundesministerium der Finanzen fand die Aktion durch zahlreiche bunt dekorierte Fahrräder, selbst gemalte Banner, Schilder mit Zahlen und Fakten und in Szene gesetzte Aktions-Postkarten eine originelle und anschauliche Kulisse. Für die Zukunft einer bäuerlichen Landwirtschaft und den Zugang zu Land ist eine 25-köpfige Gruppe seit dem 28.08. unterwegs auf einer Aktionsradtour durch das östliche Brandenburg. Die Teilnehmer:innen kommen aus dem ganzen Bundesgebiet. Die Teilnehmer:innen trafen unterwegs Bäuer:innen und Expert:innen für die aktuelle Situation am Bodenmarkt. Im Rahmen der Fahrrad- Aktionstour setzt sich die Gruppe intensiv mit dem Ausverkauf von Ackerland auseinander und weist öffentlich auf die Problematik hin.
Am heutigen Freitag führte die Gruppe vor dem Bundesfinanzministerium eine Versteigerung der BVVG-Strategie auf: Privatisierung öffentlicher Flächen, Vergabe nach Höchstpreisen, keine Rücksicht auf landwirtschaftliche oder gemeinwohlorientierte Anforderungen.
Sehr kreativ inszenierten sie außerdem die Auswirkungen hoher Bodenpreise und die Gefahr durch Share Deals. Redner:innen der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, des Bündnis Junge Landwirtschaft, der Kulturland Genossenschaft sowie des Vereins Aktion Agrar unterstrichen die Kritik am Bundesfinanzministerium und der BVVG. Gemeinsam forderten sie zukunftsfähige Perspektiven für die gemeinwohlorientierte Bodenpolitik und Landvergabe.
Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) e.V.: „Wir müssen das Höfesterben und den Ausverkauf an außerlandwirtschaftliche Investor:innen stoppen. Die neue Bundesregierung als Verantwortliche für die BVVG muss die jahrzehntelange bewusste Klientelpolitik für die flächenstärksten Betriebe endlich beenden. Die Umgehung der Grunderwerbsteuer bei Anteilskäufen muss gestoppt werden. Stattdessen braucht es eine Besteuerung nach Höhe der erworbenen Anteile. Die Anzeigepflicht bei Pachtflächen und die Genehmigung bei Landkäufen sind rechtssicher und transparent umzusetzen. Bei Umgehung muss sanktioniert werden. Öffentliche Flächen sind nach Gemeinwohlkriterien zu verpachten. Junge Menschen auf dem Land sind unsere Zukunft. Sie müssen Zugang zu Land bekommen.“
Willi Lehnert, Bündnis Junge Landwirtschaft: „Junglandwirt:innen und Existenzgründer:innen sind insbesondere von den hohen Bodenpreisen betroffen. Auf dem Bodenmarkt konkurrieren sie u.a. mit Investor:innen und ziehen dabei meist den Kürzeren. Mit einer Vergabe der BVVG-Flächen die Junglandwirt:innen und Existenzgründer:innen aktiv unterstützt, könnten neue Betriebe gegründet und damit nachhaltige Entwicklungs-Impulse in den Dörfern gegeben werden. Junge Menschen auf dem Land übernehmen Verantwortung für ihr Umfeld, bringen sich lokal ein und schaffen neue Jobs. In der Landwirtschaft und darüber hinaus. Dieses Engagement muss mit einer aktiven Bodenpolitik der BVVG gefördert werden!“
Stephanie Wild, Kulturland Genossenschaft: „Genau genommen sind die Flächen der BVVG „gemeinschaftliches Eigentum“ – nämlich Eigentum des Staates. Dieses Land wäre prädestiniert, um Gemeinwohlziele, wie regionale Versorgungssicherheit, Förderung von Biodiversität und den Grundwasserschutz um zu setzten. Darüber hinaus könnte der Staat seine eigenen Flächen dafür einsetzen seine selbstgesteckten Ziele von 20% Ökoanbaufläche bis 2023 ernst zu nehmen und zu erreichen. Im Moment werden erst 10,2% der landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland nach Bio- Standard bewirtschaftet. Wir, als Kulturland Genossenschaft, erleben es immer wieder, dass unsere ökologisch wirtschaftenden Partnerbetriebe, die von der BVVG gepachteten Flächen beim Abverkauf zum Höchstpreis an konventionelle Betriebe verlieren. Kurz nach der Umstellungsphase auf Bioanbau tut das besonders weh. Die Kulturland Genossenschaft möchte sich an der Bodenspekulation nicht beteiligen, doch die BVVG wirkt hier wie ein Preistreiber, bei dem nachhaltig wirtschaftende, lebensmittelerzeugende Betriebe kaum Chancen haben dauerhaft gesicherte Existenzen aufzubauen. Wir fordern ein Flächenmoratorium für die Restflächen der BVVG und Agrarstrukturgesetze auf Landesebene, die eine gemeinwohlorientierte Landbewirtschaftung und Existenzgründungen fördern.“
Leonie Steinherr, Aktion Agrar – Landwende jetzt e.V.: „Für Bauernhöfe ist das Land eine wesentliche Grundlage ihrer Arbeit. Doch der Zugang dazu ist immer schwieriger geworden, denn steigende Preise und intransparente Vergabeverfahren benachteiligen bäuerliche Betriebe strukturell. Stattdessen sollten die verfügbaren Flächen nach Kriterien verkauft und verpachtet werden, die das Gemeinwohl im Blick haben und Höfe mit einem fairen Zugang zu Land dabei unterstützen, die gesellschaftlichen Anforderungen zu erfüllen.“
Alissa Horsch, Bäckerin und Teilnehmende an der Aktionsradtour: „Die Aktionsradtour hat mir wichtige Einblicke in den Bodenmarkt ermöglicht. Mit dem Rückgang der Höfe stirbt auch das lebensmittelverarbeitende Handwerk aus. Als Bäckerin setze ich mich für faire Arbeitsbedingungen in unserem Ernährungssystem ein. Wir brauchen einen fairen Zugang zu Land für Bäuerinnen und Bauern, damit wieder Perspektiven entstehen und mehr Menschen in der Landwirtschaft tätig sein können. Der Boden ist unser aller Lebensgrundlage und das wichtigste Produktionsmittel von Landwirt:innen, um gesunde Lebensmittel zu erzeugen. Ein gerechter Zugang zu Land ist ein wichtiger Schritt in Richtung Ernährungssouveränität. Dafür müssen sich die Politiker:innen dringend einsetzen.“